Ein ADRA-Mitarbeiter steht unter einer Solaranlage in Äthiopien und blickt in die Kamera. | © ADRA Deutschland e. V.

Ein nachhaltiges Projekt bei ADRA – so funktioniert es

Aus erneuerbaren Energien Arbeitsplätze gewinnen

Wie ein nach­hal­ti­ges Projekt in der Entwicklungszusammenarbeit aus­se­hen kann, erklä­ren wir hier am Beispiel eines lang­fris­tig ange­leg­ten, mehr­stu­fi­gen Photovoltaik-Projektes in Äthiopien.

Das Projekt ver­folgt drei Ziele:

  1. Zum einen ler­nen jun­ge Menschen einen Beruf im Bereich der erneu­er­ba­ren Energien.
  2. Dann wer­den in genau die­sem Feld auch neue Arbeitsmöglichkeiten geschaf­fen. Damit ent­steht für vie­le Menschen, auch Schutzsuchende aus umlie­gen­den Ländern, kon­kre­te Arbeits- und damit Einkommensmöglichkeiten.
  3. Des Weiteren  wird mit dem Projekt auch die Versorgung der Menschen mit Strom aus erneu­er­ba­ren Energien, pri­mär aus Photovoltaik aus­ge­baut.

Die Ausgangslage

Äthiopien zeich­net sich durch eine bemer­kens­wer­te Willkommenskultur und Offenheit gegen­über Flüchtlingen aus. Seit lan­gem nimmt das Land Menschen vor allen aus den umlie­gen­den Ländern auf, die vor Konflikten und Not flie­hen. Mit rund 800.000 Vertriebenen gehört Äthiopien zu den größ­ten Aufnahmeländern Afrikas. Kulturelle und sprach­li­che Ähnlichkeiten mit den Nachbarländern machen Äthiopien zu einem belieb­ten Ziel für Asylsuchende. Trotz die­ser Offenheit ist die Situation für vie­le geflüch­te­te Menschen in Äthiopien schwie­rig. Die meis­ten von ihnen leben in Flüchtlingslagern und haben kei­ne oder kaum finan­zi­el­len Mittel, um ihren Lebensunterhalt zu bestrei­ten. Vor allem jun­ge Menschen fin­den kaum Arbeitsmöglichkeiten, was die ohne­hin hohe Arbeitslosigkeit wei­ter ver­schärft. Neben den Schutzsuchenden sind auch vie­le Einheimische von Arbeitslosigkeit betrof­fen.

Rund 50 Prozent der äthio­pi­schen Bevölkerung sind 18 Jahre oder jün­ger. Rund drei Millionen von ihnen suchen jedes Jahr Arbeit. Diese hohe Jugendarbeitslosigkeit stellt eine enor­me Herausforderung für den Staat und die gesam­te Gesellschaft dar. ADRA Deutschland setzt sich des­halb dafür ein, sowohl jun­gen Arbeitssuchenden aus Äthiopien als auch Flüchtlingen im Land Chancen auf eine gute Ausbildung und eine nach­hal­ti­ge Beschäftigung zu bie­ten. Durch die Unterstützung der offe­nen Aufnahmepolitik der äthio­pi­schen Regierung und die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten will ADRA Deutschland dazu bei­tra­gen, dass Menschen lang­fris­tig der Armut ent­kom­men und ihren Platz in der Gesellschaft fin­den kön­nen.

Das Konzept

Das Ganze ist gekop­pelt an den Ausbau erneu­er­ba­rer Energien mit Schwerpunkt auf Photovoltaik. Das Photovoltaik-Projekt zielt dar­auf ab, die Beschäftigungsperspektiven von Flüchtlingen und Einheimischen durch beruf­li­che Bildung in den Bereichen Installation und Wartung von Photovoltaikanlagen zu ver­bes­sern. Ein wei­te­rer Ausbildungszweig ist die Holz- und Metallverarbeitung. In die­sen Berufsfeldern besteht eine gro­ße Nachfrage nach gut aus­ge­bil­de­ten Fachkräften. Gerade im Bereich der Photovoltaik hat die äthio­pi­sche Regierung lang­fris­ti­ge Investitionen beschlos­sen, um wei­te Teile des Landes zu elek­tri­fi­zie­ren, wofür qua­li­fi­zier­te Fachkräfte benö­tigt wer­den. Nicht umsonst wirbt das äthio­pi­sche Ministerium für Kultur und Tourismus mit dem Leitspruch „In Äthiopien scheint 13 Monate im Jahr die Sonne“.

„In Äthiopien scheint 13 Monate im Jahr die Sonne”

ADRA Deutschland hat daher zunächst zwei Ausbildungszentren für Photovoltaik in den Flüchtlingslagern Aw-Barre und Shedder in der Somali-Region ein­ge­rich­tet und aus­ge­stat­tet. Ein wei­te­res Ausbildungszentrum wur­de in der Hauptschule der Stadt Jigjiga ein­ge­rich­tet. Die Ausbildungszentren sind mit Photovoltaikanlagen, Werkzeugen und Lehrmaterial aus­ge­stat­tet. Die Teilnehmer ler­nen in vier­wö­chi­gen Kurzkursen prak­ti­sche Kenntnisse in der Installation, dem Betrieb und der Wartung von Photovoltaikanlagen. Am Ende der Ausbildung erhal­ten die Teilnehmer ein von der regio­na­len Bildungsbehörde aner­kann­tes Zertifikat. Damit die­se Ausbildung eben­falls nach­hal­tig ist, wer­den par­al­lel zer­ti­fi­zier­te Trainer aus­ge­bil­det, die die Kurse auch nach dem Projektende wei­ter­füh­ren.

Neben den Photovoltaikkursen bie­ten die Ausbildungszentren auch Kurzkurse in der Holz- und Metallverarbeitung an. Damit wer­den arbeits­lo­sen Jugendlichen neue Fähigkeiten ver­mit­teln, die vor allem in der wach­sen­den Baubranche im Land gefragt sind. Damit haben die jun­gen Menschen einen guten Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Ein wei­te­res Element ist die Unterstützung bei der Gründung klei­ner Gewerbe. Nach der Ausbildung bie­tet das Projekt Kleinkredite, betriebs­wirt­schaft­li­che Schulungen sowie finan­zi­el­le Zuschüsse für den Kauf von Werkzeugen oder Baumaterialien an. So kön­nen die Absolventen der Ausbildungszentren Kleinstunternehmen star­ten und sich mit ande­ren regio­na­len Unternehmen ver­net­zen. Unternehmen, die Berufsanfänger in den ers­ten Monaten nach ihrer Ausbildung beschäf­ti­gen und wei­ter­bil­den, bekom­men dafür eine Unterstützung.

Damit ist die­ses Konzept in mehr­fa­cher Hinsicht nach­hal­tig, denn jun­ge Menschen wer­den aus der Arbeitslosigkeit geholt, bekom­men eine beruf­li­che Perspektive und die Chance, selbst wirt­schaft­lich auf eige­nen Beinen zu ste­hen, auch nach­dem sie das Projekt in den Ausbildungszentren absol­viert haben. Damit ist das Projekt sozi­al und wirt­schaft­lich nach­hal­tig. Nachhaltig ist das Projekt aber auch des­halb, weil Äthiopien beim Ausbau der Stromversorgung des Landes unter­stützt wird. Derzeit liegt die Elektrifizierung bei 38 Prozent und Äthiopien will mit sei­ner Energiepolitik bis 2030 auf min­des­tens 65 Prozent kom­men. ADRA will mit dem Photovoltaik-Projekt dabei hel­fen, so viel wie mög­lich von den dann noch feh­len­den 35 Prozent abzu­de­cken.

Die Herausforderungen

Bisrat Abera, Green Energy TVET Coördinator, ADRA Ethiopia, berich­tet als Projektkoordinator vor Ort in Äthiopien von den Herausforderungen, denen sich das Team bei der Anfänglichen Umsetzung des Projekts stel­len muss­te. „Es gab im Bereich der Ausbildung von Photovoltaik-Technikern, kei­ne Standards, kein Kurrikulum, kein Ausbildungsmaterial und auch kei­ne qua­li­fi­zier­ten Trainer. Daher haben wir zu Beginn des Projektes erst ein­mal die­sen Mangel auf­ge­ar­bei­tet.“ So hat das ADRA-Team in Äthiopien in der ers­ten Phase zusam­men mit den zustän­di­gen Ministerien an ein­heit­li­chen Ausbildungsstandards gear­bei­tet, Schulungsunterlagen erstellt und die bereits erwähn­ten Kurzkurse kon­zi­piert. Diese ers­ten Ausbildungsgänge dau­ern 370 Stunden und schaf­fen eine Basisqualifikation. In Zukunft sol­len dann auch uni­ver­si­tä­re Studiengänge in die­sem Bereich eta­bliert wer­den, die dann mit den Abschlüssen Bachelor of Science (BSc) und Master of Science (MA) absol­viert wer­den kön­nen. Ziel ist, dass das Projekt im Bereich Bildung dann in die­ser Form lang­sam „aus­ge­schli­chen“ wird, indem der Staat die­se Ausbildungswege über­nimmt und selbst wei­ter betreibt.

In der zwei­ten Phase wird dann über die aus­ge­bil­de­ten Photovoltaik-Techniker die Photovoltaik selbst im Land eta­bliert. „Photovoltaik spielt dabei längst nicht nur für Beleuchtung oder Haushaltsstrom eine Rolle“, erklärt Bisrat Abera und ergänzt: „Damit kön­nen in der Landwirtschaft bei­spiels­wei­se Wasserpumpen oder auch Brutkästen für die Geflügelzucht betrie­ben wer­den, um nur zwei Beispiele zu nen­nen.“ Der Photovoltaikstrom spielt also auch in der betrieb­li­chen und wirt­schaft­li­chen Nutzung eine wich­ti­ge Rolle.

Damit unter­stützt ADRA Deutschland das Land und die Politik auch dabei, eine „Green Energy Strategy“ zu ent­wi­ckeln und umzu­set­zen. Früher wur­de die Stromversorgung in ent­le­ge­nen Regionen meist mit Dieselgeneratoren umge­setzt. Die ver­brau­chen nicht nur viel teu­ren Kraftstoff und belas­ten die Umwelt mit Abgasen. Zudem sind sie wartungs- und damit kos­ten­in­ten­siv. Photovoltaikanlagen sind sehr güns­tig in der Anschaffung und im Betrieb, da nur wenig Wartungsaufwand ent­steht und die Technik sehr ein­fach in Betrieb genom­men und gehal­ten wer­den kann. Die Primärenergie lie­fert die reich­lich vor­han­de­ne Sonne kos­ten­los und Umweltbelastungen ent­ste­hen kei­ne.

Doch auch hier galt es zu Beginn Herausforderungen zu meis­tern, wie Bisrat Abera berich­tet: „In Sachen Photovoltaik haben bis­lang Unternehmen, die hier vor allem schnel­le Geschäfte und Umsatz machen woll­ten, min­der­wer­ti­ge Komponenten und Systeme aus unsi­che­ren Quellen in das Land ver­kauft. Systeme, die dann eben nie rich­tig funk­tio­niert haben oder schnell defekt waren und aus­ge­fal­len sind.“ Die Folge war, dass Photovoltaik bei vie­len Äthiopiern den Ruf hat­te, unzu­ver­läs­sig und nutz­los zu sein. „Aufgrund die­ser nega­ti­ven Erfahrungen der Menschen im Land muss­ten und müs­sen wir viel Aufklärungsarbeit leis­ten, Vorurteile abbau­en und das Vertrauen in die Photovoltaik zurück­ge­win­nen.“ erklärt Bisrat Abera. 

Die Perspektiven für die Menschen in unserem nachhaltigen Projekt

Das ers­te Projekt, das im Jahr 2018 ange­lau­fen ist und von Bundesministerium für wirt­schaft­li­che Zusammenarbeit und Entwicklung und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit unter­stützt wur­de, lief bis Juli 2022. Die Phase 2 star­te­te bereits im November 2021 und lief bis August 2023. Das direkt dar­an ange­knüpf­te drit­te Projekt lief par­al­lel im Oktober 2022 an und wird bis min­des­tens bis Dezember 2025 betrie­ben. So bil­det ADRA mitt­ler­wei­le in vier Berufsschulen in den äthio­pi­schen Provinzen Afar, Dire Dawa, Arba Minch und Gurage-Wolkite 480 Jugendliche zu Photovoltaiktechnikerinnen und ‑tech­ni­kern aus. Die Berufsschulen wer­den unter ande­rem mit Laborzubehör, Messgeräten und Werkzeug aus­ge­stat­tet. Parallel wer­den 16 Berufsschullehrkräfte fort­ge­bil­det. Von der neu­en Ausbildung in Photovoltaiktechnik pro­fi­tie­ren dem­nach Photovoltaik-Firmen im Land, die bis­her einen Fachkräftemangel ver­zeich­nen. Genauso pro­fi­tie­ren Institutionen wie Gesundheitseinrichtungen oder Schulen mit Photovoltaikanlagen zur Stromversorgung, die auf eine bes­se­re Wartung und Reparatur zäh­len kön­nen.

 

Insgesamt pro­fi­tie­ren rund 3.000 Menschen von die­sem Projekt. Die jun­gen Frauen und Männer haben ein Einkommen und kön­nen zum Lebensunterhalt ihrer Familien bei­tra­gen. Die Berufsschullehrkräfte bekom­men prak­ti­sche Werkzeuge an die Hand, wie sie die jun­gen Auszubildenden erfolg­reich unter­rich­ten kön­nen. Und das Land wird mit kos­ten­güns­ti­ger, nach­hal­ti­ger und umwelt­scho­nen­der Technik wei­ter elek­tri­fi­ziert.

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