Engagierte Lehrerin in Somalia zeigt auf den Buchstaben 'F' an einer Tafel, während ein aufgewecktes Schulmädchen neben ihr steht

Interview mit ADRA-Bildungsexperten:

„Bildung ist für eine nachhaltige Entwicklung unerlässlich!“

Bildung ist ein zentraler Schwerpunkt in der Arbeit von ADRA. Wir haben das Ziel, so vielen Menschen wie möglich eine qualitative Bildung zu ermöglichen. Denn: Bildung ist der Schlüssel für ein besseres Leben. Dawit Mehari ist bei ADRA Experte für den Bereich Bildung in unseren Projekten in Afrika. Mit ihm haben wir darüber gesprochen, warum immer noch so viele Menschen auf der Welt keinen Zugang zu Bildung haben und wie ADRA dazu beiträgt, diesen Umstand zu ändern

ADRA Mitarbeiter Dawit Mehari

  • Cedric Vogel: Was sind aus deiner Sicht die größten Hürden, um allen Kindern und Jugendlichen eine qualitative Bildung zu ermöglichen?

  • Dawit Mehari: Leider gibt es nach wie vor sehr viele. Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass gerade an afrikanischen Schulen die Qualität der Bildung darunter leidet, dass es zu wenige Schulen oder in den Klassenzimmern zu wenige Sitzplätze gibt, die Unterrichtsmaterialien nicht geeignet sind oder es an sauberem Wasser oder sanitären Anlagen fehlt. Außerdem gibt es zu wenige Lehrkräfte. Oft sind sie auch unzureichend ausgebildet oder unterbezahlt. Da Lehrkräfte und Schulleitungen regelmäßig den Ort wechseln, verschärft das die Probleme zusätzlich. Ein weiterer Punkt ist das Bildungssytem. In den meisten afrikanischen Ländern konzentriert man sich auf zwei Lernbereiche: Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften. Dabei geht es lediglich um die Vermittlung von Wissen und das Bestehen von Prüfungen, um eine höhere Ausbildung zu erhalten. Dieses System bereitet die Schülerinnen und Schüler nicht auf kritisches Denken oder Handeln vor.

  • Cedric Vogel: Was ist das größte Problem, wenn Kinder ohne Bildung aufwachsen?

  • Dawit Mehari: Ich sehe da durchaus verschiedene Herausforderungen. Wenn Kinder nie eine Schule besucht haben, können sie ihr eigentliches geistiges Potenzial nicht ausschöpfen. Es fällt ihnen auch schwerer als anderen, Probleme zu lösen. Zudem haben sie Mühe damit, zum Beispiel Menschenrechte zu respektieren und sich für das Wohlergehen von anderen Menschen einzusetzen. Höhere Gewaltbereitschaft ist auch ein Problem. Personen, die keine Bildung erhalten haben, können schwerlich aus den ihnen bekannten Alltagsmustern ausbrechen und schwieriger zwischen guten und schlechten Lebensweisen unterscheiden. Grundsätzlich würde ich sagen, dass es Menschen ohne Bildung sehr schwer haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

  • Cedric Vogel: An welchen Punkten setzt ADRA in der Projektarbeit ganz konkret an, um Bildung zu fördern?

  • Dawit Mehari: Wir bei ADRA sind davon überzeugt, dass Bildung für eine nachhaltige Entwicklung unerlässlich ist. Es wird mit den Menschen vor Ort gearbeitet, um Bewusstsein für die Bedeutung von Bildung aufzubauen oder Lehrmaterial zur Unterstützung des gesamten Bildungssystems bereitgestellt. Zuerst wird immer geschaut, was am dringendsten benötigt wird. Dafür analysieren wir das jeweilige Bildungssystem zum Beispiel danach, wie einfach Menschen Zugang zu Bildung haben und wie die Qualität ist.ADRA untersucht auch die Vorgaben der Regierung in den jeweiligen Ländern. Neben all den Bildungsmaßnahmen, die richtig und wichtig sind, geht es aber immer in erster Linie darum, die verantwortlichen Personen vor Ort zu stärken und darin zu befähigen, selbst Verbesserungen im Bildungsbereich herbeizuführen. In vielen Ländern ist ADRA mittlerweile sehr gut mit anderen Organisationen vernetzt und kann daher effektiv an Bildungsprojekten arbeiten.

    Durch Bildungsprojekte unterstützt ADRA junge Menschen in der Schul- sowie auch in der Berufs- und Erwachsenenbildung. Besonderer Fokus wird dabei auf Mädchen und Frauen aus den ärmsten Familien gelegt. Wir sind davon überzeugt, dass ein höheres Bildungsniveau bei Mädchen und Frauen nicht nur ihre Chancen auf eine Arbeit erhöht, sondern sich auch auf die Versorgung der Familie positiv auswirkt.

    Ich möchte noch ein konkretes Beispiel geben. Im Rahmen eines neu gestarteten Projekts bietet ADRA benachteiligten und arbeitslosen Jugendlichen in Äthiopien alternative Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich Solartechnik und Einkommensförderung. Diese gezielte und arbeitsmarktspezifische Ausbildung ist darauf ausgerichtet, Jugendliche auszubilden und eigene Kleinunternehmen im Bereich erneuerbare Energien zu gründen. Nach Abschluss der Ausbildung können die Jugendlichen ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen und ihre Familien versorgen. ADRA bietet ihnen diese Chance und erfüllt damit Lebensträume.

  • Cedric Vogel: Wie können die Familien in den Projektregionen selbst dazu beitragen, ihre Lage bzgl. Bildung zu verbessern?

  • Dawit Mehari: Dass die Familien an den Maßnahmen beteiligt sind, ist für den Erfolg ungemein wichtig. Deshalb sprechen wir regelmäßig mit den Menschen vor Ort, um ihnen im Rahmen von Sensibilisierungskampagnen die Bedeutung von Bildung nahezubringen. Es ist entscheidend, dass sie verstehen, warum es wichtig ist, ihren Kindern den Unterrichtsbesuch zu ermöglichen. Das gilt vor allem auch für Mädchen und Kinder mit Behinderungen. Gleichzeitig ermutigen wir sie, die schulischen Leistungen ihrer Kinder zu verfolgen, ihnen zu helfen und damit zum Erfolg ihres Nachwuchses beizutragen. Darüber hinaus zeigen wir ihnen, wie sie sich produktiv für die Schulentwicklung einsetzen können. Ein Beispiel ist, dass Eltern dabei mithelfen, das Schulgelände sicherer zu machen, indem ein Zaun gebaut wird.

  • Cedric Vogel: Wie sieht dein persönlicher Ausblick hinsichtlich Bildung in Afrika aus? Wie kann es funktionieren, dass dort alle Kinder und Jugendliche eine qualitative Bildung bekommen?

  • Dawit Mehari: Aktuell ist der Anteil der Schulpflichtigen Kinder in Afrika sehr hoch. Leider passen hier Angebot und Nachfrage nicht zusammen, denn viele Klassen sind überfüllt. Darunter leidet die Qualität. Um das zu verändern, müssen mehr Schulen gebaut und Lehrkräfte aus- und weitergebildet werden. Ihr Umfeld muss durch Infrastruktur attraktiver werden. In entlegenen Regionen kann zum Beispiel ein Busshuttleservice, der die Lehrkräfte am Wochenende in die Stadt bringt, viel bewirken. Auch die Löhne müssen steigen. Außerdem ist es ungemein wichtig, dass die Regierungen in den jeweiligen Ländern mehr Geld in die Bildung ihrer Bevölkerung investieren. Und auch die westlichen Ländern sind hier gefragt.Für uns als Hilfsorganisation bedeutet das, dass wir unsere Projekte so konzipieren, dass sie wirklich auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Im Fall von Bildung in Afrika muss es stark um Infrastruktur und die Fortbildung der Lehrkräfte gehen. Aus meiner langjährigen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass die Familien sehr stark davon profitieren, wenn mindestens ein Kind eine qualitative Bildung erhält. Deshalb ist mein Appell an alle Spenderinnen und Spender: Unterstützen Sie Bildungsprojekte, denn damit verändern Sie Menschenleben zum Besseren!

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